Freitag, 9. August 2013

Kapitel 1, Routine Teil 1/2 (Neustart)

Heut ist Freitag, ein typischer Tag im Herbst. Der Boden ist von Laub bedeckt, von gelben und rotbraunen Farben. Die Straßen sind belebt. Menschen gehen umher und der Verkehr ist laut. Wolken trüben den Himmel grau und es riecht nach Regen. Laut kichernd springen Kinder in einem Park von Pfütze zu Pfütze und ihre bunten Jacken, ihre Gummistiefel und Mützen, ja, die ganze Welt wirkt grau durchtränkt, entsättigt, trist. Unweit von ihnen sitzt ein Mann auf einer Bank aus verwittertem Beton, die, eingerahmt von Rosensträuchern und mit Graffitis beschmiert, eine eigene Geschichte erzählt. Neben diesem Mann liegt ein Strauß von roten Gerbera und ein Regenschirm in schwarz. Er scheint ein ganz normaler Typ zu sein, sofern es überhaupt normale Typen gibt. Seine Statur ist sportlich. Sein Haar ist dunkel und gerade so lang, dass es seine Ohren verdeckt, die er nicht mag. Er trägt einen anthrazitfarbenen Anzug mit offenem Jackett und darunter ein perlweißes Hemd. Auf eine Krawatte hat er verzichtet. Sie wäre zu viel. Während er sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Beinen abstützt und sein Gesicht mit seinen Händen hält, ist sein Blick träumend und auch traurig zum Boden gerichtet. Er ist selten so zu sehen. Meist sind es einzig seine Augen, die die Geschichte erzählen, die seine fröhliche Miene und sein Lächeln zu verbergen versuchen.
    Er hat heute Abend um 20 Uhr ein Date im Irish Pub „Tin Whistle" gegenüber des Parks in Sichtweite. Eigentlich mag er diesen Laden, auch wenn er dreckig und runtergekommen ist, doch mit seinem Date wollte er ihn nicht verbinden. Er ist einfach zu nah an seiner Welt, fast ein Teil davon, aber eine Wahl hat er nicht. Nicht mehr.

"Regel 1: Egal wie sehr es dich stören mag, beim ersten Date hat die Dame stets und sofern sie möchte die freie Wahl der Location! Du fügst dich also voller Vorfreude, egal wohin sie will."

Also stimmte auch er ihrem Wunsch, ins Tin Whistles zu gehen, mit seinem konstant gleichen und dennoch charmanten Lächeln zu.
    Die Zeit vergeht. Es wird langsam dunkel und von den Kindern ist keines mehr zu sehen. Es hat leicht zu regnen angefangen und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos lassen blasse Schatten über die Fassaden der Häuser wandern. Ein mäßiger Wind ist aufgekommen und versucht den Mann und seinen nun geöffneten Schirm davon zu ziehen, weg von diesem Park und weg von seinem Date. Aber er bleibt sitzen und wartet gleich einem Huhn vor dem Schlachten. Als würde auch er in dieses wundervolle, beruhigend blaue Licht sehen, bevor er Meter für Meter seinem Ende näher kommt. Seine Augen glänzen und sein "blaues Licht" sind die Blätter vor ihm, die sich im Wind bewegen. "Ob auch sie die Blätter tanzen sieht?", fragt er sich. Eine Antwort steht aus und kaum hat er darüber nachgedacht, sieht er, wie sich sein Date, Isabelle, unruhig umherschauend dem Pub nähert. Ihr langes, braun gelocktes Haar ist klamm vom Regen und ihr kaminroter Wollmantel von Wasserflecken übersät, die sich in langen, dunklen Schlieren über ihren schmalen Körper nach unten ziehen. Der Mann zögert nicht lang, nimmt den Blumenstrauß und steht auf, um zu ihr zu eilen. Sein Herz rast vor Aufregung. Was ungewöhnlich für ihn ist. Er war bei seinen Dates lang nicht mehr aufgeregt. Normal ist er routiniert, fast gelangweilt und sein Lächeln fest ins Spiel verankert. Doch dieses Mal lächelt er nur verhalten aber ehrlich und aus seinem tiefsten Inneren heraus. Ein Kloß im Hals erschwert dabei seine Atmung. "Wie sie wohl ist?" fragt er sich und kaum ist er ihr nah, drosselt er sein Tempo, stellt das Lächeln zurück auf Routine und sagt im ruhigen und warmen Ton: "Hallo Isabelle, schön dass du hier bist" und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Sichtlich darüber erstaunt, erwidert sie stockend seine Begrüßung mit "…eben…so", woraufhin er ihr die Gerbera mit den Worten: "Die hier sind für dich. Ich hoffe du magst sie" überreicht. Über die Blumen erfreut, geht Isabelle nah an ihn heran, sodass auch er etwas Schutz von seinem Schirm abbekommt, den er bei der Begrüßung zuvorkommend von sich weg und über Isabelle platzierte. Die letzten Meter zum Pub werden nur durch die klackenden Geräusche von Isabells Hacken, die auf den Gehweg knallen, und dem leise tropfenden Regen begleitet. Wenig später stehen beide auch schon vor dem Pub und der Mann öffnet die massive, rot lasierte Eichentür mit ihren rostigen Beschlägen und lässt Isabelle eintreten.
    Der Laden wirkt noch dreckiger, als er ihn in Erinnerung hat. Der Boden klebt und bei jedem Schritt fühlt es sich so an, als würde man an ihm haften und Fäden von ihm ziehen. Rauch erdrückt den Raum und verleiht den Wänden mit ihren unzähligen Bildern vergangener Sportikonen und Böden alter Guinnesfässer einen Charme, wie ihn sonst nur Hollywood produziert. Doch in Hollywoodfilmen befinden sich zumeist haufenweise grimmig dreinschauende Männer in einem Pub, die Billard oder Dart spielen und einen Anzugträger mit hübscher Begleitung zumindest angsteinflößend mustern würden. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Das Tin Whistle ist eher ein Treffpunkt für Studenten und Paare, die selbst nicht angestarrt werden wollen. Hier kümmert es niemanden, wer du bist, wie du aussiehst und was du machst.Kaum haben Isabelle und der Mann den Laden betreten, nimmt er ihr den Mantel ab und gibt ihr ein sauberes, grau-schwarz gestreiftes Stofftaschentuch aus der linken Innentasche seines Jacketts, damit sie sich ihr feuchtes Gesicht abtrocknen kann. Ihr dezent aufgelegtes Makeup ist nur leicht verwischt und gerade als Isabelle sich abtupft, sieht er ihre blau-grünen Augen, die ähnlich wie die seinen, entgegen ihrem Lächeln, traurig glänzen. Sein Herz beginnt erneut zu rasen. Und als er ihren roten, vollen Mund hinter dem Stofftuch erblickt, ist auch seine Atmung wieder gehemmt. Isabelle scheint etwas Besonderes für ihn zu sein und es ist unschwer zu erkennen, dass dies dem Mann unangenehm ist. So atmet er zweimal tief durch, lässt sein trainiertes Lächeln erneut erblühen und führt sie an das Ende des linken Flügels im Pub. Dort stehen schon eine mit Wasser gefüllte und ansonsten leere Vase, ein Schild mit der Aufschrift reserviert, zwei Weingläser und eine mit Bordeaux gefüllte Karaffe mit ausladendem Boden auf einem runden, angesengten Naturholztisch bereit. "Der Tisch ist nicht mehr der neueste" sagte der Mann und Isabelle erwidert: "aber Charme ist doch keine Frage des Zustands" und lächelt ihn breitgrinsend an. Sie rechnete nicht mit der Aufmerksamkeit und Vorbereitung, mit der er ihr bisher bei diesem ersten Date begegnete. Beide setzen sich und der Abend beginnt.  

Montag, 11. Februar 2013

Kapitel 5, Das Ende der Moral

Genug geweint! Zu lang im Selbstmitleid gebadet! Ich musste endlich aufwachen. Es war doch egal, was mir passierte. Wen kümmerte das schon? Es kam einzig darauf an, mein Schicksal zu akzeptieren. Ich fügte mich also dem Spiel, welches keine Gewinner kennt und gab der sozialen Distanz ihr Recht. Fortan verloren Menschen und ihre Schicksale an Bedeutung und Emotionen wurden zu einer Last, die ich nicht mehr tragen wollte. Ich mutierte jedoch keineswegs zu einem Misanthropen, nein. Doch kalt wurde ich allemal. Ich stumpfte ab. Dies war die Zeit, in der ich Paul vergaß, um Pierre zu sein. Die Klappe fiel!

Dabei entsprang der Name Pierre einem Erotikroman, den meine Mutter in ihrem Nachtschrank gut versteckt glaubte. Dar Roman war schwarz gebunden und auf seinem Deckel stand – geprägt in goldenen Lettern – „The Pierre“. Ich war vielleicht 10, als ich es das erste Mal sah und heimlich damit begann, in seine Welt einzutauchen. „The Pierre“ war jedoch keine Figur sondern Ort der Handlung. Es war und ist bis heute ein Spitzenhotel in New York City mit Blick auf den grünen Central Park.

Für mich war schon damals weniger die Geschichte als die durch sie aufgebaute Stimmung und die Idee des „The Pierres“ von Bedeutung. Die beschriebenen Bilder wie die der wunderschönen Zimmermädchen in ihren schwarzen Putzuniformen mit durchschimmernden weißen Blusen und leichtem Dekolleté luden mich zum Träumen ein. Im „The Pierre“ traf der goldene Kitsch des Jugendstils mit seinen zahlreichen, floralen Verschnörkelungen auf die Funktionalität und Gradlinigkeit der Moderne. Das in diesem Roman dargestellte Hotel kreierte eine Scheinwelt, eine kostenpflichte Fiktion für all diejenigen, die dem urbanen Trott ihrer grauen Metropole zu entfliehen versuchten. Das sollte auch mein Pierre erreichen. Er wurde die Antwort auf die traurige Realität, die meine Kundinnen umgab, eine Kunstfigur!

Natürlich veränderte ich mich nicht von einem Tag auf den anderen. Ich fühlte und dachte teilweise wie zuvor. Doch kannte ich nun den Feind und ignorierte ihn. Dabei begann ich, wie mit unsichtbaren Scheuklappen bestückt, durch die Stadt zu flanieren und alle Menschen, ihre Gesichter und Emotionen auszublenden. Und es endete in einer fast vollständigen Abschirmung meiner selbst.

Auch Martha spürte, welche Veränderung in mir vorging. Sie bemerkte mein aufgesetztes Lächeln und mein geheucheltes Interesse, wenn es überhaupt zum Heucheln kam. Sie kannte mich so nicht und erschrak von Treffen zu Treffen mehr über meinen Wandel.

Einen Monat nach Matthias kam es dann zu einer Situation, die ich noch heute sehr bereue. Martha hatte einen Kunden, der die härtere Gangart bevorzugte. Er stand darauf, so grob vorzugehen, dass sie vor Erniedrigung und Schmerzen schreien und weinen musste. Für Martha war dies nichts Neues, doch an diesem Tag nahm es sie sehr mit, sodass sie eine Stunde nach Geschäftsschluss in meiner Tür stand und Trost suchte. Doch ich, ich konnte ihr nicht mehr geben als ein: „Hör auf zu flennen. Das ist doch unser Berufsrisiko!“. Das musste gerade ich sagen. Ich, der Dienst-Emo, den noch vor Kurzem alles mehr verletzte, als gut für ihn war. Martha, meine beste Freundin, wurde so von mir ins Nichts gestoßen und sich selbst überlassen. Sie stand nur bleich und zugleich angewidert vor mir und flüsterte: „Was ist nur los mit dir? Was ist nur passiert…? Der Matthias?“ Und ich, ich wandte mich ab und setzte mich auf meine Couch. Martha ging und sah nicht zurück. Mich kümmerte es nicht, noch nicht!

Sie war vorerst Geschichte und mit ihr auch ihre Hausfrauenkontakte. Selbst Claudia hielt sich seitdem, ohne ein Wort zu sagen, fern von mir. Egal. – falsches Ego! –

Wen interessierte das schon? Ich war nicht mehr auf ihre Kontakte oder ihr Geld angewiesen. Ich hatte einen neuen Plan! Meine letzte Kundin brachte mich darauf. Ich traf sie zwei Tage vor der Martha-Situation. Sie war aus damaliger Sicht nichts Besonderes. Ich erinnere mich nicht einmal an ihren Namen. Ich weiß nur, dass er mit „P“ begann. Ich nenne sie nun einfach Petra Normal. Frau Normal buchte also vier Stunden Ehemodus. Dementsprechend holte ich sie mit einem weißen Hemd, einem schwarzen Anzug und Lackschuhen bekleidet von daheim ab, dinierte mit ihr in einem Restaurant ihrer Wahl und sorgte im Anschluss daheim in ihrem Bett für einen entspannten Ausklang unseres Arrangements. Es war die ewige Routine! Doch was sie mir erzählte, brachte die imaginäre Glühlampe über meinem Kopf zum Leuchten.

Auch Frau Normal war eine Dame, die ihren Gatten früh verloren hatte. Jedoch nahm sie dies deutlich mehr mit als es bei vergleichbaren Kundinnen der Fall war, sodass sie sich Woche um Woche in ihre Trauer-Gesprächsrunde flüchtete. „Eigentlich ist die Trauer bei unseren Treffen nur ein Vorwand. Eigentlich geht es darum, dass wir einsame Seelen Gesellschaft suchen“, sagte sie. Dort wollte ich ins Spiel kommen. Dies war jedoch nicht so einfach, wie ich es mir vorstellte. Die Gruppe war voll und neue Mitglieder waren entweder nur dann zugelassen, wenn ein Platz frei wurde oder ein Mitglied eine ausdrückliche Empfehlung vortrug. Kann es denn so schwer sein, einen weiteren Stuhl zu organisieren?

Na ja, ich fragte Petra also, ob sie mich nicht dort einführen würde und bot ihr im Gegenzug einen Tag voller Freuden an. Doch sie weigerte sich nachdrücklich mit dem Aufschrei: „Du bist GESCHMACKLOS!“ und schickte mich von Dannen. Mit dieser Reaktion rechnete ich nun wirklich nicht. War es die eingebüßte Empathie, die mich so auflaufen ließ?

Ich ließ ihr 30 Minuten Ruhe und stand daraufhin erneut, nun jedoch mit einem gelben Rosenstrauß bewaffnet, vor ihrer Tür und bat sie rufend um Verzeihung. Sie ließ mich mit abschätzigem Blick tatsächlich nochmal hinein und ich musste vorerst kriechen. Glück gehabt..!

Dank der Rosen hörte sie mir nun zu und zusammen mit ein paar beruhigenden Floskeln darüber, dass ich nur in die Trauerrunde möchte, um zu erfahren, wie andere Menschen mit derart schlimmen Problemen zurechtkommen, ließ sie mich wieder näher an sich heran. Der Rest war einfach. Ein sanftes Streicheln ihres Nackens und ein paar Liebkosungen später, stöhnte sie nur: „Dienstag, 20Uhr. Denk dir eine gute Geschichte aus.“ Mein erster Auftritt sollte kommen! 

Der Tag rückte näher und ich dachte nicht ein einziges Mal darüber nach, welche geschmacklose Grenze ich überschreiten würde. Ich sah nur die Unabhängigkeit, das Geld. Petra führte mich also ein. Die Runde war kleiner als ich dachte. Es waren vielleicht 15 Personen, darunter 4 Männer. Es war enttäuschend! Wir saßen alle in einem Kreis und jeder der reden wollte, durfte reden. Das Klischee lässt grüßen!

So stand Petra auf und stellte mich mit ernster Miene als Pierre Schmidt vor, der seine Frau an den Krebs verloren hatte. Mein Auftritt stand an. Keine Probe. Die Klappe fiel und ich, ich musste überzeugen. Ich sprach von meiner Frau, von Nicole. Ich sprach von ihrem glatten braunen Haar, ihrem zuckersüßen Lächeln, das zusammen mit ihren wenigen Sommersprossen alle Menschen um sie herum erheiterte. Schmunzelnd erzählte ich von ihrem seltsamen Faible für Footballtrikots und stockend von unserem gemeinsamen Wunsch, eine Familie zu gründen. Ich sprach davon, dass unser Leben perfekt war, bis bei ihr eines Tages nach einem Schwächeanfall Leukämie diagnostiziert wurde und der lange Abschied begann. „Ich liebte sie so sehr und pflegte sie Jahr für Jahr. Wir überstanden jede einzelne Chemotherapie und sie… SIE starb dennoch. Wir beide verloren den Kampf, doch nur Nicki musste dafür bezahlen und ich… ich blieb einsam zurück…“ Ich weinte bitterste Tränen, die jedes Krokodil neidisch gemacht hätten. Und da kam auch schon mein erster Erfolg. Sie hieß Gabrielle und nahm mich herzlich in den Arm. Auch sie hatte Tränen in den Augen und wie sich in der Zukunft herausstellen sollte, auch ein prall gefülltes Portemonnaie in ihrer Handtasche, meine Gage!

Sonntag, 13. Januar 2013

Kapitel 4, Startprobleme

Mein Leben veränderte sich. Mein Herz wurde stumm. Sehnsüchte wichen einer trüben Existenz, wurden Illusionen. Nach und nach ersetzten kühle Nächte meine Tage und ironischerweise war das größte Problem weiterhin das Geld. Noch immer suchte ich vergebens die Freiheit, so leben zu können, wie ich es wollte. 

Mein Startup hatte Startprobleme. Das Vorhaben vom „Ficken“ zu leben, scheiterte an den zu rar gesäten Zufällen. Allein das Hoffen darauf, dass Frauen wie durch Zauberei den Weg zu mir fanden und mir für eine Nummer ihr Geld vor die Füße warfen, konnte meine Miete nicht bezahlen. Ich musste selbst die Initiative ergreifen. Doch leider ist Mundpropaganda in diesem Gewerbe unverhältnismäßig unterrepräsentiert und einschlägige Anzeigen werden in der Regel nur von Männern beachtet, deren Anfragen ich nie beantworten wollte. Mir blieben in den ersten Monaten nur die von Martha in unregelmäßigen Abständen zugespielten Kontakte zu abenteuerlustigen Hausfrauen, die aus ihrem Familientrott auszubrechen versuchten und Claudia, die bis heute meine treueste Stammkundin bleiben sollte.

Sie hatte sich damit abgefunden, allein zu sein und holte sich in der Regel ein bis zwei Mal im Monat ihre „Nacht der großen Gefühle“, wie sie sie so gerne beschrieb. Ich glaube, Claudia ist es, die in meinem Leben einer Partnerin am nächsten kommt. Ja, sie bezahlt, hat aber gute Konditionen. Manchmal reden wir nur ein paar Stunden und haben zum Abschluss einen Quickie. Das Besondere ist jedoch, dass sie bei mir schlafen darf und ich ohne Gummi arbeite. Es ist schwer zu beschreiben, was Claudia für mich ist, vielleicht ein Notnagel?

Leider reichten diese paar "Geschäftstreffen" und Claudia im Monat nicht aus, um davon auch nur im Ansatz leben zu können, weshalb ich neue Pfade beschreiten musste. Was konnte mir, meiner Seele schon noch passieren? Naiv und im Selbstmitleid zerfließend, dachte ich wirklich, dass in mir alles soweit kaputt war, dass sich nichts weiter verschlimmern konnte. Ich war ein dummer Junge!

Leider behielt einmal mehr das Gesetz des alten Murphy recht. An einem Donnerstagabend klingelte nach drei Wochen ohne eine Kundin Matthias an meiner Tür. Er war ein normaler Typ, blass, hatte kaum sichtbare Muskeln, war aber schlank und mittelmäßig gepflegt, wenn auch haarig! Doch er war groß, größer als ich. Das machte die Sache nicht einfacher. Am Telefon erschien er jedoch nett und irgendwie feminin, sodass ich annahm, uns schon irgendwie durch den Abend bringen zu können. Normal war ich es, der die Stricke in den Händen hielt, aber an diesem Tag veränderte sich meine Welt erneut. Mit meinem Mantra „Sex ist Sex" öffnete ich die Tür. Hätte ich doch bloß auf mein Bauchgefühl gehört! Na ja, Matthias trat ein und hatte schon den Geldumschlag in der Hand. Geil lächelnd legte er diesen auf meine Malm, die links von der Tür stand und zögerte nicht lang, mich, obwohl sich alles in mir weigerte, an sich heranzuziehen. Er küsste mein Gesicht so voller Euphorie und Vorwärtsdrang, dass die Erinnerung an das Gefühl unserer aneinander reibenden Dreitagebärte so einprägsam wurde wie ein Brandmal. Als er dann aber meinen Kopf mit männlichster Dominanz nach unten drückte und mir seinen salzigen Schwanz immer und immer wieder in den Mund rammte, wurde mir klar, wer der Mann in dieser Nacht war. Er bestimmte, wo es langging und er legte mich aufs Kreuz. Und meines habe ich bis heute zu tragen! Woran ich bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht dachte, war, dass mein "bestes Stück" den Dienst verweigern konnte und es natürlich auch prompt tat. Tja, ihm war das egal!

Regel 6: Versuch bei Kerlen gar nicht erst einen Ständer zu kriegen. Die meisten kümmern sich nicht darum. Verschwende also keine Zeit daran, denn um gefickt zu werden, brauchst du keine Erektion!

Rasch lag ich rücklings auf meinem Bett. Er beugte sich über mich, umspielte meinen Mund mit seinen Fingern und steckte zwei davon in ihn hinein, um sie dann angefeuchtet in meiner Hinterpforte zu platzieren. Kurz darauf war ich die Nutte, die genommen wurde. Ich lernte schnell, dass Sex eben nicht gleich Sex ist, wenn man die Rollen tauscht! Ich war wirklich ein dummer, dummer Junge! 

Der physische Schmerz war mir egal. Doch mit jedem Stoß wich meine Würde und mit jedem Stöhnen, das er raus röchelte, weinte ich trockene Tränen. Meine Stärke, der Rest meiner selbst war gestorben. Ich wurde missbraucht. Zumindest fühlte ich mich so. Trotzdem war ich selber schuld. Ich opferte meine Seele ein paar Scheinen. Ich war so unglaublich naiv!

Als er das Gummi abzog und auf mich spritzte, dachte ich, es endlich hinter mir gehabt zu haben. Doch weit gefehlt. Dieser Abend sollte insgesamt fünf Stunden dauern. Matthias zahlte für die ganze Nacht und ich als Nutte musste mich fügen! – Berufsethik – 

Irgendwann, nachdem ich ihm noch zweimal seinen haarigen Schwanz hochblasen musste und er mich gefickt hatte, ging er, wie er kam: Er küsste mich, schaute geil an mir hinunter und verabschiedete sich. Bis heute kann ich nicht erklären, was in mir passierte, als er endlich weg war. Ich weiß nur, dass mich diese Nacht veränderte. Ich saß nackt in einer Ecke und weinte – untypisch für mich – stundenlang. Wie konnte ich nur glauben, dass es keinen Unterschied machte, wer der Kunde ist. Ich war so ein dummer, dummer, naiver Junge! 

Matthias war weg, doch die Melancholie zog ein. Tränen trugen mich in den Schlaf und begrüßten mich am Morgen. Ich aß und sie begleiteten mich. Ich sah fern, nahm jedoch nur verschwommenes Bild wahr. Mein Herz tat weh, so unglaublich weh. Doch sonst fühlte ich nichts… Ich weinte nur... Ob tot oder lebendig, egal. Ich war nur noch da!
Martha, mit der ich sonst täglich telefonierte oder wenigstens schrieb, versuchte mich über eine Woche verteilt zu erreichen. Ständig klopfte sie an meine Wohnungstür und rief meinen Namen. Mein Accounts platzten vor Nachrichten, die ich nicht abrief und meine Telefone vibrierten munter vor sich hin. Ich ignorierte alles, sodass die Leere solang in mir blieb, bis an einem Freitag plötzlich Claudia mitten in meiner Wohnung vor mir stand und mir in Verzweiflung schreiend eine verpasste. Der Schlag traf mich jedoch nicht so hart wie Martha, die zu allem Überfluss schluchzend in meiner Tür stand und von Steve getröstet wurde. Steve war ein Freund von Claudia und legaler Einbrecher, der anscheinend seinen abschätzigen Blick an mir perfektionieren konnte. Er war ein echtes Liebchen!

Es vergingen nur ein paar Minuten, bis sich Martha verhalten lächelnd zu uns gesellte Sie hielt einen geöffneten Geldumschlag in der Hand, meinen. Den hatte ich ganz vergessen! Ich wollte eigentlich nicht, dass die Mädels jemals erfuhren, wieso ich dermaßen versackte. Doch meinen Zustand konnte ich nicht verbergen. Und während Claudia noch die Furie gab, legte Martha beruhigend eine Hand auf ihre Schulter und setzte sich zu mir. Auf dem Umschlag stand „Kuss Matthias“ und Martha wusste Bescheid. Es ist nicht allzu lange her, dass wir beide am Telefon ausgiebig das Thema der Gewinnmaximierung besprochen hatten und schon damals riet sie mir von dieser Grenzüberschreitung ab. In ihren Augen war ich zu labil, diesen Schritt ohne Folgen zu überstehen. Ich glaubte ihr nicht. Aber wie sagt man so schön: „Lernen durch Schmerzen“, auch wenn es die seelischen sind. Ich habe zumindest eines gelernt: „Wenn dich das Leben fickt, lehn dich eben nicht zurück und genieß es, sondern stoß es fort und wehre dich, solange du noch kannst!“

Auf die Beine brachte mich aber doch Claudia, die ihre Sozialarbeiterfähigkeiten uneingeschränkt an mir unter Beweis stellen konnte. So gingen wir alle gemeinsam in den Zoo. Doch Martha passte das gar nicht, da sie – ob man es glauben mag oder nicht – eine Art militante Tierschutz-Nutte darstellte und Nuttenstempel à la Leo oder Pelz bei ihr nicht zu finden waren. Für Martha glich ein Zoo einem Tier-KZ. Sie meckerte schon am Eingang los, dass über diesem noch die Worte „Süß-Sein macht frei“ fehlen und so zeterte sie weiter. Doch auch Martha musste bei den Kapuzinern lachen und fand die Pinguine grandios. Die Doppelmoral lebe hoch!

Ich vergaß für ein paar Stunden, was geschehen war und sah, dass es auch in trüben Zeiten Situationen gibt, die einem die Freude am Leben zeigen. Trotzdem wurde in den nächsten Tagen das Joch um meinen Hals enger und immer schwerer. Das Geldproblem blieb und wuchs, auch wenn es kurzweilig durch ein sattes Trinkgeld von Claudia leichter zu stemmen war. Sie gab mir vier Mal so viel, wie es mein Standardtarif für eine Nacht ohne gute Konditionen veranschlagte! Wahrscheinlich hätte sie es mir auch ohne einen unangenehmen Quickie gegeben. Doch sie kannte meinen Stolz, wo auch immer der noch herkam. 

Für die Zukunft sah ich jedoch schwarz. Männer waren keine Option und so… so stand ich wieder am Anfang – gebrochener als jemals zuvor.